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Jedes Leben ist voller Geheimnisse.
Aman Wutin,
Berater von Korba dem Panegyriker
Ihr ganzes Leben hatte sich verändert – und noch einmal verändert –, aber als Jessica nach Hause zurückkehrte, war Caladan so schön wie immer ... unberührt, heiter und sicher. Als sie in Cala City auf das Landefeld trat, roch sie die ozonfrische Meeresbrise. Sie saugte die leuchtenden Nachmittagsfarben in sich auf, die sumpfigen Pundi-Reisfelder, die hohen Fichtenwälder an der Küste, das weite Meer und die hoch aufragenden Berge im Landesinnern. Heimat. Frieden.
Seit dem Treffen auf Ix hatte sich ihre Wahrnehmung von Paul grundlegend verändert. Jessica wusste, dass seine Visionen so klar waren, wie er behauptete, und dass er sich der Gefahren seiner eigenen Legende und der Religion, die sich um ihn gebildet hatte, vollauf bewusst war. Nur sie und Paul würden jemals erfahren, was Bronso Vernius wirklich tat und warum er es tat. Sie konnte nicht einmal Gurney Halleck die Wahrheit sagen.
Jessica wusste auch, dass ihre eigene Bestimmung mit der ihres Sohnes verknüpft war, und dass sie sich ihr ebenso wenig entziehen konnte wie er ...
Ein Kontingent von Wachen empfing sie am Rande des Raumhafengeländes. Bisher hatte sich Gurneys Miene jedes Mal aufgehellt, wenn er sie sah, so sicher wie der tägliche Sonnenaufgang. Doch heute war das nicht der Fall.
»Sie kehren während einer schweren Krise heim, Mylady, und ich fürchte, dass dies nur der Anfang ist.« Er weigerte sich, mehr zu sagen, bevor sie im geschlossenen Bodenfahrzeug saßen. Die Wachsoldaten von Fremdwelten fuhren neben ihnen, was Jessica ein sehr unbehagliches Gefühl gab. Sie hatte noch nie so viele Sicherheitskräfte auf Caladan gesehen.
Während der Fahrt zur Burg beschrieb Gurney die überraschend gewalttätigen Demonstrationen, den zunehmenden Drang nach Unabhängigkeit und die Wut, mit der die Caladaner auf die Art und Weise reagierten, in der sie sich von Muad'dib behandelt fühlten.
»Meine Lösungsansätze haben die Sache vielleicht nur noch schlimmer gemacht.« Der derb wirkende Mann schüttelte den Kopf. »Wir haben durchgegriffen, die meisten Demonstranten gestoppt und den Raumhafen wieder geöffnet. Aber heute früh haben ein paar übereifrige Caladaner vier Qizarat-Tafwids als Geiseln genommen und wollen sie festhalten, bis die Imperiale Regierung die Änderung des Planetennamens zurücknimmt.« Seine Hände ballten sich zu Fäusten. »Ich hatte gehofft, wir könnten eine Vergeltung durch Muad'dibs Regierung aufschieben, indem wir das Problem für gelöst erklären ... aber was sollen wir jetzt sagen? Ich schäme mich dafür, Ihnen so schlechte Dienste erwiesen zu haben, Mylady.«
Nach dem, was Mohiam ihr auf Wallach IX enthüllt hatte, verstand Jessica, dass die Massen von Anfang an durch Agentinnen der Bene Gesserit manipuliert worden waren. Sie hatten die Bevölkerung zur Rebellion getrieben, in der Hoffnung, eine Kettenreaktion planetarer Revolten auszulösen.
»Es ist nicht allein deine Schuld, Gurney. Die Schwesternschaft versucht, Paul zu einer Überreaktion zu zwingen. Sie wollen, dass die weitgehend unschuldige Rebellion auf Caladan zum Zündfunken für eine ganze Reihe von Aufständen wird. Es ist ein Provokationsspiel der Bene Gesserit, bei dem die Menschen hier die Bauern sind.«
»Es sei denn, ich packe diese Rebellion an der Wurzel, bevor sie weiter erblühen kann«, sagte Gurney.
»Wir, Gurney. Wir müssen diese Rebellion an der Wurzel packen.«
Sein breiter Mund verzog sich zu einem wölfischen, fast unfreiwilligen Grinsen. »Zu Ihren Diensten, Mylady ...«
Nach Pauls schockierender Enthüllung hatte sie sich die Zeit genommen, ihm von Bürgermeister Horvus Plan für Caladans Unabhängigkeitserklärung zu erzählen. Seine Miene hatte sich verfinstert. »Selbst wenn die Bene Gesserit diese Sache angezettelt haben, sollte Horvu doch klar sein, wozu er mich damit zwingt! Ein solcher Trotzakt wird eine schreckliche Vergeltung nach sich ziehen, auf die ich keinen Einfluss mehr habe. Meine Anhänger sind bereits jetzt aufgebracht, weil ihr so viele Pilger abgewiesen habt. Wenn sie davon hören, werden sie sich verpflichtet fühlen, meine ursprüngliche Heimatwelt zu säubern.«
Sie spürte, wie ihre eigene Entschlossenheit zunahm, während sich ihr Atem beschleunigte. »Dann musst du mir eine Chance geben, die Lage zu entschärfen, bevor du handelst, Paul. Wenn ein Preis bezahlt werden muss, finde ich einen Weg, ihn zu bezahlen, den kleinstmöglichen Preis – für Caladan. Lass mich meine Arbeit tun und das Volk beschützen.«
Widerwillig hatte er zugestimmt, aber Jessica wusste, dass sie nur eine einzige Chance hatte und dass Paul nicht dazu in der Lage wäre, seine Rolle zu wahren und seine Fanatiker angesichts wiederholter Provokationen hinzuhalten. Jetzt lag die Zukunft Caladans in ihren Händen, und viele Menschenleben hingen von ihr ab – wenn sie nur die schwierigen, aber notwendigen Entscheidungen treffen konnte. Sie musste den kleinstmöglichen Preis finden, der zu entrichten war ...
Jetzt trug Gurney, der neben ihr im Fahrzeug saß, eine schwere Last auf den Schultern. »Ich war mir nicht ganz sicher, wie ich reagieren sollte, Mylady. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Herzog Leto irgendjemanden ins Gefängnis geworfen hätte, weil er seine Meinung sagt – insbesondere, weil ich mich selbst durch den Erlass des Qizarats angegriffen fühle. Sie wollen Caladans Namen ändern?« Er schüttelte den Kopf. »Nachdem ich die Dissidenten aus den Arrestzellen entlassen hatte, versprachen sie mir, sich friedlich zu verhalten. Eine Menschenmenge hat sich vor der Burg versammelt ... es sind noch nicht viele, aber es werden täglich mehr. Ich fürchte, dass die Sache wieder außer Kontrolle geraten wird, und zwar bald.«
»Wenn das geschieht, werden Muad'dibs Truppen kommen.« Jessicas Lippen bildeten eine grimmige Linie. »Leto war nur der Herzog eines einzigen Planeten, deshalb konnte er sich auf die Probleme seines Volks konzentrieren. Paul wurde von einer ganz anderen Art von Wirbelsturm ergriffen, der Tausende Planeten umfasst. Es ist wie der Unterschied zwischen einem Staubteufel und einem Coriolissturm.«
Als sie Burg Caladan erreichten, sah Jessica die Menschenmassen, die sogar noch größer waren als die früheren Horden frömmelnder Pilger. »Vielleicht gibt es eine letzte Chance auf eine vernünftige Lösung«, sagte Gurney. »Die Leute verehren Sie als ihre Herzogin, Mylady. Sie erwarten, dass Sie an ihrer Seite stehen und ihre Probleme lösen.«
Jessica blickte aus dem Fenster des Bodenfahrzeugs. »Ich weiß. Doch sie müssen wenigstens etwas Verantwortung für das übernehmen, was sie hier angerichtet haben. Wir können nicht allein den Bene Gesserit die Schuld geben.« Die Sicherheitstruppen von den Fremdwelten bahnten ihnen einen Weg, und die Rufe der Menge wurden lauter. »Und sie müssen begreifen, dass nicht nur sie Probleme haben, die gelöst werden müssen.«
»Es könnte noch schlimmer werden, Mylady. In dem Moment, als ich ihn freigelassen und den Raumhafen wieder eröffnet habe, hat Bürgermeister Horvu die halbe Stadtkasse geleert, um Kuriere zu mehreren wichtigen Planeten zu schicken, damit sie dort unsere Unabhängigkeit erklären. Einige der Kuriere konnte ich abfangen, und ich habe die Dissidenten davon abgehalten, weitere Nachrichten an andere Welten zu schicken, aber ich fürchte, es ist bereits zu spät. Jetzt warten alle ab, wie Muad'dib auf die Lage reagiert.«
»Wir können nicht abwarten, Gurney.« Ihre Stimme war schneidend. »Letztlich sollte die Lösung dieser Krise darin liegen, wie ich darauf reagiere, weil ich die Herrscherin von Caladan bin. Ich sage das nicht, um dich in irgendeiner Art und Weise herabzusetzen, weil ich deine Hilfe sehr wohl brauche, aber es gibt gewisse Verantwortungen, die ein Herrscher allein tragen muss.«
Während das Fahrzeug durch die Menge fuhr, sah sie einen großen, schwarzen Ballon, der über den Massen schwebte. In weißen Buchstaben stand darauf gedruckt: Paul Muad'dib ist kein Atreides mehr.
Als Jessica das sah, hob sie die Stimme und wandte sich an den Fahrer. »Halten Sie an! Hier! Sofort!«
»Hier, Mylady? Aber das ist zu gefährlich!«
Nach einem langen Blick zu Jessica blaffte Gurney: »Tun Sie, was die Herzogin sagt!«
Die Menge verfiel in überraschtes Schweigen, als sie ausstieg und sich ihr gegenüberstellte. Als die Leute fröhlich jubelten, hob sie die Stimme. Das Volk freute sich, sie zu sehen, in der Gewissheit, dass sie die Retterin war, die sie brauchten.
»Ich bin soeben von meinen Reisen zurückgekehrt, und ich bin enttäuscht, solche Unbotmäßigkeiten vorzufinden! Lösen wir auf Caladan etwa so unsere Probleme? Nein! Hört mir zu – ich möchte, dass die gefangenen Priester unverletzt freigelassen werden. Sofort. Erst wenn ihr das getan habt, können wir über eure Beschwerden diskutieren. Vorausgesetzt, ihr tut, was ich verlange, lade ich heute Abend die zehn Personen ein, die ihr für die wichtigsten bei diesem ...« – sie suchte nach dem richtigen Wort –, »... diesem Kreuzzug haltet, um mich persönlich mit ihnen zu treffen. Ich möchte nur diejenigen sehen, die wirklich etwas mit dieser Angelegenheit zu tun haben, damit ich ihnen meine Lösung für eure Beschwerden anbieten kann. Bis dahin zerstreut euch bitte und lasst mich auf vernünftige Art und Weise mit euren Problemen umgehen.«
Einen Moment lang zögerten die Leute, als würden sie alle gleichzeitig tief Luft holen. Dann jubelten sie.
Jessica stieg wieder in das Fahrzeug und befahl dem Fahrer, sie zur Burg zu bringen. Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück und schloss die Augen. »Gurney, ich muss diese Sache klären, bevor Paul es tut.«
Er sah sie fragend an und nickte. »Geben Sie mir einfach meine Befehle, Mylady.«
In der Erwartung, dass Jessica sich für sie einsetzte, waren die Menschen nur zu gern zur Kooperation bereit, um ihr Vertrauen zu ihr unter Beweis zu stellen. Die vier gefangenen Priester wurden innerhalb von zwei Stunden freigelassen. Gurney ließ sie in ein sicheres Gebäude in Burgnähe bringen und postierte davor mehrere seiner Soldaten, um sie zu bewachen. Jessica, die zumindest soweit zufrieden war, bereitete sich auf den Abend vor, der ihre einzige Chance war, diese Sache zu beenden.
Gurney fragte sie aus, was sie vorhatte, aber Jessica verweigerte jede Antwort. Es war ihre Entscheidung, obwohl es ihr nicht gefiel, solche Geheimnisse vor ihrem vertrauten Freund zu haben. Paul hat den kleinstmöglichen Preis gefunden, und ich werde das Gleiche tun.
Sie musste die sich anbahnende Katastrophe verhindern und die Pläne der Schwesternschaft vereiteln, Revolten im gesamten Imperium anzuzetteln und das Volk von Caladan dabei als Kanonenfutter zu verwenden. Sie musste diese Sache hier und jetzt beenden.
Als die zehn ausgewählten Gäste eintrafen, eskortierten Bedienstete sie in den großen Bankettsaal. Das waren die Rädelsführer, von den Dissidenten persönlich gewählt. Bürgermeister Horvu schien erleichtert zu sein, die Herzogin zu sehen. Der Priester Sintra wirkte ebenso hochzufrieden und siegessicher wie die bekannten Wortführer aus Cala City und anderen Küstenstädten. Jessica hatte sich bereiterklärt, sich ihre Beschwerden anzuhören und ihre Lösung darzulegen.
Sechs Männer und zwei Frauen begleiteten den Priester und den Bürgermeister und suchten sich mit fast komischer Ineffizienz Plätze an der Tafel. Die meisten waren noch nie zuvor in Burg Caladan gewesen und schon gar nicht zu so einem wichtigen Abendessen. Die Speisen waren bereits aufgetragen und die Portionen auf feinen Tellern angerichtet, und daneben standen Kelche mit klarem Quellwasser – eine Erinnerung an Caladans Reichtum im Vergleich zu Arrakis.
Nachdem die Bediensteten fort waren, sprach Jessica mit klarer Stimme. »Gurney, würdest du uns bitte entschuldigen?«
Gurney war überrascht, dass man ihn entließ. »Mylady, sind Sie sich ganz sicher, dass ich nicht helfen kann?«
Sie wollte nicht, dass er dabei war. »Im Moment muss ich als Herzogin von Caladan dienen, und diese Unterredung ist eine Privatangelegenheit zwischen diesen Leuten und mir. Bitte mach die Tür hinter dir zu.«
Obwohl er besorgt wirkte, ging Gurney, wie man es ihm befohlen hatte. Die zehn Gäste hatten gerötete Gesichter und waren aufgeregt; mehrere schauten recht selbstgefällig drein. Besonders Sintra schien sich daran zu erfreuen, wie Gurney entlassen wurde. Anscheinend glaubte er, dass Jessica unzufrieden damit war, wie er die Dinge während ihrer Abwesenheit gehandhabt hatte.
Sie nahm ihren Platz am Kopf der Tafel ein. Der Bürgermeister und seine Komplizen schienen in Feierlaune zu sein. Zuerst verliehen sie ihren Sorgen höflich Ausdruck. Doch nach einiger Zeit wurde die Diskussion erhitzt und ungestüm. Wie versprochen hörte Jessica zu. Bürgermeister Horvu brüstete sich damit, dass Paul mit Jessica als ihrer Sprecherin keine andere Wahl hatte, als Caladan in Ruhe zu lassen.
Jessica holte tief Luft und sagte vorsichtig: »Ich glaube, dass mein Sohn meinem Urteil immer noch vertraut. Nun esst und trinkt. Wir haben einen anstrengenden Abend vor uns, und ich habe nicht vor, diesen Raum zu verlassen, bevor unser Problem gelöst ist.« Sie hob ihren Kelch, trank und schmeckte das Quellwasser.
Abbo Sintra hob sein Glas zu einem Trinkspruch. »Auf die Lösung von Problemen!« Alle tranken.
Horvu, der Sorgenfalten im Gesicht hatte, sagte: »Mylady, wir möchten nicht, dass Sie uns für Unruhestifter halten. Aber Sie müssen zugeben, dass die Truppen Ihres Sohnes in der ganzen Galaxis recht aggressiv vorgegangen sind. Als eine Atreides können Sie solche verurteilenswerten Taten doch unmöglich gutheißen! Wir wollen nur, dass Paul sich an seine Wurzeln und an seine Atreides-Ehre erinnert. Weiter nichts.«
Die Gäste aßen ihren Nuss-Käse-Salat und wandten sich dann den dampfenden Schüsseln mit der traditionellen Fischsuppe zu.
Der Priester sagte mit heller Stimme: »Wir haben beschlossen, dass Sie für Caladan sprechen könnten, wenn die anderen Planetenrepräsentanten herkommen. Versichern Sie allen, dass unser Volk unbefleckt vom Djihad des Imperators bleiben soll, die Gemeinen wie die Adligen. In den Geschichtsbüchern soll stehen, dass wir uns gegen die Tyrannei erhoben und laut und einstimmig nein gesagt haben.« Er beendete seine Rede mit einer schwungvollen Geste und wirkte sehr zufrieden mit sich.
»Ganz im Gegenteil«, erwiderte Jessica schweren Herzens, während sie den anderen beim Essen zusah. »Dies ist der Punkt, an dem ich nein sage. Dies ist der Punkt, an dem ich das Volk von Caladan vor einer großen Gefahr rette.«
Die um den Tisch versammelten Männer und Frauen wirkten verwirrt. Horvu sagte: »Aber wir haben Caladan bereits gerettet, Mylady!« Es schien ihn zu überraschen, dass seine Stimme auf unerklärliche Weise schleppend klang.
Jessica schüttelte den Kopf. »Das ist höchst bedauerlich, weil ich Ihre Empörung nachvollziehen kann. Die Djihad-Massaker sind tatsächlich eine Tragödie. Doch bei einer solch weitgreifenden, ambitionierten Veränderung eines ganzen Imperiums gibt es zwangsläufig ein paar Tote zu viel. Das stimmt mich traurig, aber Paul ist mein Sohn, und ich hatte Anteil an seiner Ausbildung. Er weiß, was notwendig ist.«
»Aber ... Sie müssen uns helfen, Lady Jessica ...«, sagte eine der beiden Frauen am Tisch. Sie schien Atemprobleme zu haben und nahm einen Schluck Wasser, der jedoch nicht half.
Jessica erkannte die Frau als Tochter eines Fischers aus dem Dorf. Sie waren sich einmal begegnet, an einem regnerischen Tag draußen an den Anlegestellen, wo die Frau ihrem Vater dabei geholfen hatte, sein verwittertes altes Boot fertig zum Auslaufen zu machen. Sie hatte wie ein Mann geflucht und dann abrupt den Tonfall gewechselt, als sie die Herzogin bemerkt hatte.
»In gewisser Weise«, sagte Jessica und zwang sich zur Ruhe, »seid es ihr alle, die mir und Caladan helfen. Es tut mir leid, doch dies ist meine Lösung – die einzige Möglichkeit, die ich gefunden habe, um eine weit größere Krise abzuwenden. Ich habe beschlossen, Millionen Leben zu retten.«
Sintra fing an zu husten. Mehrere der anderen wirkten benommen, schläfrig oder krank. Sie verdrehten die Augen.
»Das Opfer, das ihr hier bringt, wird Caladan retten, und ich weiß, dass es das war, was ihr wolltet. Als Herzogin treffe ich Entscheidungen, die diese Welt im Ganzen angehen ... genauso wie Muad'dib Entscheidungen für das ganze Imperium trifft. Euer Tod wird dem Imperator demonstrieren, dass ich mich des Problems angenommen habe – dass es keinen Grund für ihn gibt, seine Truppen herzuschicken.«
Ganz wie es in den Bene-Gesserit-Aufzeichnungen hieß, die sie konsultiert hatte, war das von ihr gewählte Gift geschmacklos, es wirkte schnell ... und es war angeblich schmerzfrei. Sie selbst hatte das gleiche Gift zu sich genommen, die Substanz jedoch innerhalb ihres Körpers mit Leichtigkeit umgewandelt und wirkungslos gemacht.
»Es war nicht allein euer Fehler, was mich sogar noch viel mehr betrübt. Ihr alle seid von geschickten Bene Gesserit manipuliert worden, und ihr habt nicht begriffen, wozu man euch verleitet hat. Ich werde eine Bekanntmachung herausgeben, in der es heißt, dass zehn Verschwörer von Agentinnen der Schwesternschaft überlistet wurden, im Zuge eines Plans, den Imperator Muad'dib zu stürzen. Die Hauptlast der Vorwürfe wird die Schwestern treffen.«
Damit löse ich zwei Probleme auf einmal, dachte Jessica. Ich werde mit dem Aufstand fertig, und ich habe den Bene Gesserit getrotzt, zusätzlich zu meiner Zurückweisung ihres Angebots.
»Alle anderen Caladaner, die an dieser Rebellion teilgenommen haben, werden begnadigt«, sagte Jessica. »Lasst euch davon trösten. Aber ihr zehn ... ihr seid der Preis, der bezahlt werden muss.«
Resigniert saß sie hoch aufgerichtet in ihrem Stuhl und sah zu, wie ihre Gäste nach Luft rangen, keuchten, über ihren Tellern zusammenbrachen oder zu Boden fielen. Während sie zusah, rutschte der Bürgermeister mit einem schweren Plumpsen von seinem Stuhl. Seine Augen waren leblos, während ihre sich mit Tränen füllten.
Jessica kämpfte ihre Gefühle nieder und sagte laut in den Saal des Todes hinein: »Es musste getan werden, und ich habe es getan. Jetzt habe ich zugleich wie ein Harkonnen und wie ein Atreides gehandelt.«